KI-Schock: 165.000 Tech-Jobs weg, Coder sehen Chipotle
Jahrelang schien der Weg zu einer gut bezahlten Karriere in der Technologiebranche einfach: Programmieren lernen, einen Informatik-Abschluss machen, und ein sechsstelliger Gehaltsscheck wartete. Dieses Versprechen, das von Tech-Führern und sogar US-Präsidenten wiederholt wurde, führte zu einem massiven Anstieg der Einschreibungen in Informatikstudiengängen. Manasi Mishra, heute 21, erinnert sich, wie sie in der Nähe des Silicon Valley aufwuchs, wo die Botschaft klar war: Programmieren war ein goldenes Ticket. Inspiriert baute sie ihre erste Website in der Grundschule und verfolgte im Studium fortgeschrittene Computerthemen. Doch nach ihrem Abschluss an der Purdue University im Mai fand Mishra sich ohne ein einziges Tech-Jobangebot wieder, was sie in einem TikTok-Video zu dem berühmten Spruch veranlasste, dass die einzige Firma, die sie zu einem Vorstellungsgespräch einlud, Chipotle war.
Dieser dramatische Wandel spiegelt eine sich schnell verändernde Landschaft in der Tech-Branche wider, wo die weit verbreitete Einführung von KI-Programmiertools und jüngste Entlassungen bei Giganten wie Amazon, Intel, Meta und Microsoft die Aussichten für neue Absolventen trüben. Einst ein garantierter Einstieg in lukrative Rollen, steht die Informatik nun vor einem unerwarteten Abschwung. Die finanziellen Anreize waren einst unbestreitbar; 2012 hob Microsoft-Manager Brad Smith typische Anfangsgehälter von über 100.000 Dollar hervor, oft ergänzt durch 15.000 Dollar Einstellungsboni und 50.000 Dollar in Aktienoptionen. Dieser Reiz trug dazu bei, die Zahl der Bachelor-Studenten in Informatik in den USA bis letztes Jahr auf über 170.000 mehr als zu verdoppeln, so die Computing Research Association.
Die aktuelle Realität für diese Absolventen ist jedoch düster. Unter den Hochschulabsolventen im Alter von 22 bis 27 Jahren weisen Informatik- und Computertechnik-Majors nun einige der höchsten Arbeitslosenquoten auf, nämlich 6,1 % bzw. 7,5 %. Dies ist mehr als das Doppelte der 3 % Arbeitslosenquote, die bei den jüngsten Absolventen der Biologie und Kunstgeschichte zu verzeichnen war, wie von der Federal Reserve Bank of New York berichtet. Experten wie Jeff Forbes, ein ehemaliger Programmdirektor für Informatik-Ausbildung bei der National Science Foundation, äußern tiefe Besorgnis und stellen fest, dass Studenten, die noch vor wenigen Jahren mit Angeboten überhäuft worden wären, nun Mühe haben, überhaupt Arbeit zu finden.
Die Jobsuche selbst ist zu einer mühsamen und oft demoralisierenden Erfahrung geworden. Über 150 Studenten und frischgebackene Absolventen von Institutionen wie Stanford bis hin zu staatlichen Universitäten teilten ihre Schwierigkeiten mit, wobei einige Hunderte, ja sogar Tausende von Positionen beantragten. Sie beschreiben einen Prozess voller Online-Codierungsbewertungen, Live-Tests und Interviews, der oft damit endet, dass Unternehmen sie einfach „ghosting“ (ignoriert). Viele fühlen sich von den früheren Versprechen der Branche „gaslit“ (manipuliert) und beschreiben ihre Suche als „trostlos“, „entmutigend“ oder „seelenzerstörend“. Zach Taylor, 25, der es liebte, Videospiele zu programmieren und an der Oregon State University Informatik studierte, hat seit seinem Abschluss 2023 5.762 Tech-Jobs beantragt, was nur zu 13 Vorstellungsgesprächen und keinem Vollzeitangebot führte. Er bewarb sich sogar bei McDonald’s um Arbeit, wurde aber wegen „Mangel an Erfahrung“ abgelehnt.
Ein wesentlicher Faktor für diesen Engpass ist die schnelle Einführung von KI-Code-Assistenten in der Tech-Branche. Diese Tools können Tausende von Codezeilen schnell generieren, was den Bedarf an Junior-Software-Ingenieuren reduziert – genau die Rollen, die neue Absolventen typischerweise suchen. Matthew Martin, ein leitender US-Ökonom bei Oxford Economics, weist darauf hin, dass Einstiegspositionen am anfälligsten für die Automatisierung sind. Während einige Universitäten nun beginnen, Studenten in diesen KI-Tools zu schulen, glaubt Tracy Camp, Geschäftsführerin der Computing Research Association, dass viele Absolventen immer noch unzureichend mit den neuesten, gefragtesten Fähigkeiten ausgestattet sind.
Diese Dynamik hat für Arbeitssuchende eine KI-„Abwärtsspirale“ geschaffen. Absolventen nutzen zunehmend KI-Tools wie Simplify, um Lebensläufe anzupassen und Bewerbungen automatisch auszufüllen, wodurch sie schnell eine große Anzahl von Jobs beantragen können. Gleichzeitig setzen Unternehmen, die mit Bewerbungen überhäuft werden, KI-Systeme ein, um Kandidaten automatisch zu screenen und abzulehnen. Audrey Roller, eine frischgebackene Absolventin der Datenwissenschaft, versuchte, sich durch die Hervorhebung ihrer menschlichen Fähigkeiten wie Kreativität abzuheben, indem sie ihre Bewerbungen ohne Chatbots schrieb. Doch nach einer kürzlichen Einreichung kam drei Minuten später eine Ablehnungs-E-Mail. „Es ist schwer, motiviert zu bleiben, wenn man das Gefühl hat, ein Algorithmus entscheidet, ob man seine Rechnungen bezahlen kann“, beklagte sie.
Selbst staatliche Tech-Jobs, die traditionell als stabile Alternative galten, stellen aufgrund von Kürzungen und Einstellungsstopps neue Hürden dar, wie Jamie Spoeri, eine Absolventin der Georgetown University, die sich für Tech-Politik interessierte, nach der Bewerbung auf über 200 Stellen feststellte. Trotz der Herausforderungen gibt es einen wachsenden Drang zur Anpassung. Führungspersönlichkeiten wie der ehemalige Präsident Donald Trump und Unternehmen wie Microsoft leiten nun erhebliche Mittel und Initiativen in die KI-Schulung, da sie die Notwendigkeit erkennen, die Arbeitskräfte mit diesen neuen Fähigkeiten auszustatten.
Für Manasi Mishra nahm der Weg eine unerwartete Wendung. Obwohl sie den Chipotle-Job nicht bekam, half ihr ihre Erfahrung als Beauty-Influencerin auf TikTok, eine größere Leidenschaft für Tech-Marketing und -Vertrieb gegenüber Software-Engineering zu erkennen. Diese Einsicht führte sie dazu, sich initiativ für eine Tech-Vertriebsposition zu bewerben, die sie im Juli erhielt und diesen Monat beginnt. Ihre Geschichte, obwohl einzigartig, beleuchtet eine breitere Wahrheit: Während KI die Tech-Landschaft umgestaltet, müssen Absolventen möglicherweise ihre Erwartungen und Fähigkeiten anpassen oder sich ganz neu orientieren, um eine Zukunft zu meistern, in der das „goldene Ticket“ keine Selbstverständlichkeit mehr ist.