Anthropic setzt auf Menschen: KI-Entlassungen trotzen, Soft Skills neu bewertet

Fastcompany

Inmitten einer weit verbreiteten Entlassungswelle in der Medienbranche, die oft auf die zunehmende Integration künstlicher Intelligenz zurückgeführt wird, entsteht eine unerwartete Gegenerzählung aus einer unwahrscheinlichen Quelle: Anthropic, eines der Unternehmen, das diese technologische Disruption vorantreibt. Das KI-Startup sucht aktiv einen Chefredakteur, um sein wachsendes Redaktionsteam zu leiten – ein Schritt, der den dauerhaften Wert menschlicher Fähigkeiten unterstreicht, die Maschinen noch nicht replizieren können.

Die neue Position, die entweder in New York oder San Francisco angesiedelt ist, wird als “organisatorisches Rückgrat” der Content-Operationen von Anthropic angesehen und ist für die Steuerung der Zusammenarbeit, die Optimierung von Systemen und die Verwaltung des menschlichen Talents verantwortlich, das für ihre Arbeit unerlässlich ist. Diese strategische Einstellungsentscheidung kommt zu einer Zeit, in der die schnelle Einführung von KI in der Arbeitswelt erhebliche Arbeitsplatzverluste und weit verbreitete Unsicherheit in verschiedenen Sektoren ausgelöst hat. Selbst Dario Amodei, Anthropic’s eigener CEO, hat Bedenken geäußert und prognostiziert, dass die Arbeitslosigkeit in den nächsten ein bis fünf Jahren aufgrund der Arbeitsplatzverdrängung durch KI auf 10% bis 20% ansteigen könnte.

Die Medienbranche hat die tiefgreifenden Auswirkungen dieser Verschiebung besonders gespürt. Anfang dieses Jahres entließ Business Insider beispielsweise Berichten zufolge 21% seiner Mitarbeiter und begründete dies mit einer strategischen Neuausrichtung auf KI-Integration und Live-Events. Viele Verlage verlassen sich zunehmend auf KI-generierte Inhalte, manchmal unabsichtlich, während sie Personalabbau betreiben.

Anthropic’s jüngste Stellenausschreibung deutet jedoch auf eine wachsende Erkenntnis hin, dass KI zweifellos bestehen bleibt, aber menschenzentrierte Fähigkeiten gefragter denn je werden. Diese Einstellungsinitiative folgt einer erheblichen Erweiterung des Kommunikationsteams von Anthropic, das laut Axios bis Ende des Jahres seine Größe verdreifachen soll. Das Redaktionsteam ist speziell für die Überwachung der Forschungskommunikation und narrativer Inhalte zuständig, die KI und ihre breiteren gesellschaftlichen Auswirkungen untersuchen.

Diese menschenzentrierte Strategie wird maßgeblich durch Anthropic’s früheres, erfolgloses Experiment mit KI-generierten Inhalten beeinflusst. Das Unternehmen hatte seinen fortschrittlichen Chatbot Claude damit beauftragt, Blogbeiträge für die eigene Plattform zu schreiben, doch das Experiment wurde schnell abgebrochen, und der KI-gestützte Blog wurde nur eine Woche nach seiner Einführung eingestellt.

Obwohl einige redaktionelle Aufgaben, wie die Pflege von Kalendern und die Koordination von Arbeitsabläufen, theoretisch an KI delegiert werden könnten, betonen die in der Stellenbeschreibung für den Chefredakteur dargelegten Kernaufgaben stark ausgeprägte menschliche Fähigkeiten. Dazu gehören die Funktion als teamübergreifender Ansprechpartner, das Management komplexer Beziehungen und die Einhaltung von Fristen – Fähigkeiten, die nuanciertes Urteilsvermögen, Empathie und zwischenmenschliches Geschick erfordern.

Diese Neubewertung menschlicher Fähigkeiten reicht über Anthropic hinaus. Die “Skills on the Rise”-Liste von LinkedIn für das laufende Jahr identifizierte beispielsweise KI-Kompetenz als die Top-Fähigkeit, die Arbeitgeber suchen. Doch die nachfolgenden Einträge auf der Liste – wie Konfliktlösung, Anpassungsfähigkeit und innovatives Denken – betonten alle kritische Soft Skills. Ähnlich spiegelte der Autodesk 2025 AI Job Report diese Ergebnisse wider und kam zu dem Schluss, dass “menschliche Fähigkeiten nicht ersetzt werden – sie werden neu bewertet”.

Diese Ansichten finden weithin Anklang, insbesondere in den sozialen Medien. Ein Nutzer kommentierte Anthropic’s Stellenausschreibung auf LinkedIn: “Nicht überrascht. KI wird jeden Tag besser, aber Menschen werden immer noch gebraucht, um zu verhindern, dass Müll hinein und herauskommt.” Annalyn Kurtz, Executive Editor bei Deloitte Insights, betonte diesen Punkt in ihrem eigenen LinkedIn-Beitrag und stellte fest: “Redaktionelle Expertise ist immer noch ein hochgeschätztes Handwerk. Die einzigartige Kombination aus kritischem Denken, Kontextbewusstsein, Publikums-Empathie, Urteilsvermögen beim Geschichtenerzählen, Genauigkeit bei der Faktenprüfung, digitalem Verständnis und Kreativität bleibt unerlässlich. Sogar führende KI-Unternehmen erkennen das an.” Dies deutet auf einen wachsenden Konsens hin, dass, obwohl KI leistungsstarke Werkzeuge bietet, der letztendliche Schiedsrichter für Qualität und Nuancen in der Inhaltserstellung menschlich bleibt und wahrscheinlich auch bleiben wird.