KI & Urheberrecht: Innovation durch freie Daten – Gefahr für Kreative?

Theguardian

Scott Farquhar, Mitbegründer von Atlassian, hat Australien aufgefordert, seine Urheberrechtsgesetze zu überarbeiten, und plädiert für eine Ausnahmeregelung im Stil des US-amerikanischen „Fair Use“, die es Künstliche-Intelligenz-Modellen erlauben würde, frei auf urheberrechtlich geschützten kreativen Inhalten zu trainieren. Farquhar, der auch Geschäftsführer des Tech Council of Australia ist, argumentiert, dass das aktuelle australische Recht die meisten KI-Datenmining-Aktivitäten wahrscheinlich als illegal einstuft und dadurch Investitionen in die aufstrebende KI-Industrie des Landes unterdrückt.

In der ABC-Sendung „7.30“ bekräftigte Farquhar, dass die wirtschaftlichen Vorteile großer Sprachmodelle die Bedenken hinsichtlich der Nutzung bestehender kreativer Werke durch KI ohne Vergütung bei weitem überwiegen. Sein Kernargument hängt davon ab, ob die Ausgabe der KI „transformierend“ ist – was bedeutet, dass sie etwas „Neues und Originelles“ schafft, anstatt lediglich ein bestehendes Werk zu replizieren. Er postuliert, dass, wenn eine KI beispielsweise bei der Generierung eines völlig neuen Liedes oder Softwarestücks hilft, eine solche Nutzung als fair angesehen werden sollte. Farquhar äußerte keine Bedenken, wenn sein eigenes geistiges Eigentum auf transformierende Weise verwendet wird, vorausgesetzt, es führt nicht zu direktem Wettbewerb. Er glaubt, dass die Nutzung des kollektiven Softwarewissens der Welt zur Verbesserung der zukünftigen Softwareentwicklung eindeutig in den Bereich des Fair Use fällt.

Farquhars Vorschlag übersieht jedoch einen entscheidenden Punkt: Die Rechtslage bezüglich KI-Training und Fair Use in den Vereinigten Staaten ist noch lange nicht geklärt. Trotz Forderungen großer KI-Entwickler wie Atlassian, Google und Meta nach weitreichenden Ausnahmen, die ein dauerhaftes, unbezahltes Training an menschlichen Werken erlauben würden, ist das Thema derzeit Gegenstand Dutzender Klagen. Das US-Urheberrechtsamt wies in seinem Vorabbericht vom Mai zum generativen KI-Training ausdrücklich auf die erheblichen rechtlichen Herausforderungen für die Fair-Use-Ansprüche von KI-Unternehmen hin.

Das US-Urheberrecht berücksichtigt bei der Bestimmung von Fair Use mehrere Faktoren, darunter, ob die Nutzung kommerziell ist, die Art des ursprünglichen urheberrechtlich geschützten Werkes, die Menge des verwendeten Werkes und, entscheidend, die Auswirkungen der Nutzung auf den Markt oder den Wert des urheberrechtlich geschützten Werkes. Letzteres wurde vom US Supreme Court wiederholt als „zweifellos das wichtigste Element“ des Fair Use bezeichnet. Der Bericht des Urheberrechtsamtes unterstreicht dies und warnt, dass KI-Training „erheblichen potenziellen Schaden für den Markt oder den Wert urheberrechtlich geschützter Werke“ birgt. Er erklärt, dass, wenn ein KI-Modell Ausgaben produzieren kann, die den Werken in seinen Trainingsdaten wesentlich ähneln oder sogar stilistisch ähneln, dies zu Umsatzverlusten führen oder den Markt für Originalkreationen verwässern könnte.

In der Nachrichtenbranche beispielsweise reduzieren bereits KI-generierte Zusammenfassungen die Notwendigkeit für Nutzer, auf Originalartikel zu klicken, was den Traffic und die Einnahmen für Verlage erheblich beeinträchtigt. Obwohl das US-Urheberrechtsamt keine legislative Intervention empfohlen hat, räumt es ein, dass freiwillige Lizenzvereinbarungen entstehen, die einen Weg für die KI-Innovation bieten, ohne geistige Eigentumsrechte zu untergraben.

Farquhars Vision vom freien Zugang der KI zu kreativen Werken würde nur dann Bestand haben, wenn es eiserne Garantien gäbe, dass jede KI-Nutzung wirklich transformierend wäre und die Märkte, aus denen die Daten stammen, nicht negativ beeinflussen würde. Angesichts der aktuellen Rechtsstreitigkeiten und des nachgewiesenen Potenzials für Marktstörungen in verschiedenen Kreativsektoren könnte die übereilte Annahme eines ungeklärten US-Rechtskonzepts schwerwiegende Kosten verursachen. Technologiefirmen im Namen der Innovation einer Branche weitreichende Ausnahmen zu gewähren, birgt das Risiko, die Lebensfähigkeit und Nachhaltigkeit vieler anderer zu untergraben.